Korbinian segnet Adalpert (Ausschnitt aus einer Malerei im Freisinger Dom mit der Unterschrift: prodiciose latronem tuetur – „auf wundersame Weise schützt er den Räuber“)

Die Erzählung vom Räuber Adalpert

Die älteste Erwähnung des Ortes Wippenhausen (villa Pup(p)inhusir – übersetzt Ortschaft Puppinhusir), findet sich, und das ist sehr ungewöhnlich, nicht in einer Urkunde, sondern in der vita Corbiniani des Bischof Arbeo (764-783) von Freising und zwar in der Erzählung vom Räuber Adalpert.

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Zu dieser Zeit begab es sich, daß Pippin, welcher der Hausmeier war, den Gottesmann einlud vor sein Angesicht zu treten. Als jener sich zur Pfalz aufmachte wie man ihn geheißen, so geschah es, daß ihm unterwegs einer entgegenkam, der ob der Missetat des Raubmords, die er mehrmals begangen, war verurteilt worden und nun hingefuhrt ward, um gehenkt zu werden; er hieß Adalpert. Dies war das Ende, das üblicherweise diejenigen erwartete, die zum Tode verurteilt waren. Schon war die Schlinge um den Hals gelegt, waren die Riemen die man zum Hochziehen benötigte, angeknüpft und iiber den Querbalken des Galgens geworfen von dem sie herunterhingen; dem Verurteilten waren die Hände auf den Rücken gefesselt, und die Manner, die den Delinquenten hielten waren bereits dabei, den Delinquenten gewaltsam zur Hinrichtung zu schleppen. Da gab der Gottesmann dem Pferde das er ritt mit aller Kraft die Sporen und rief unter Anrufung Gottes als Zeugen, mit lauter Stimme sie sollten doch warten, bis er da sei. Als er angekommen war sprang er rasch vom Pferd, lief auf den Verurteilten zu und fragte, wer der Anführer sei. Er ließ den Befehlshaber und den Büttel, denen die Exekution übertragen war,vor sich treten und hub an, den Blick zur Erde gesenkt, sie mit demüdgen Worten zu bitten, sie mochten ihm den Gefallen tun ihm den Verurteilten zu schenken oder seine Bestrafung aufzuschieben bis er, der Bischof, in eiligem Ritt zu dem Fiirsten gelangen konne. Die Manner wollten auf sein Verlangen nicht eingehen und sagten, daß sie mitnichten sich getrauten eine ihnen von Amts wegen übertragene Aufgabe nicht auszuführen; sie mochten sonst am Ende dieselbe Strafe erleiden wie ihr Delinquent, der so schwere und schreckliche Verbrechen begangen habe, daß sie ans Ohr des Königs gedrungen seien und dann eben sein Todesurteil verursacht hatten. Da bemühte sich der Gottesmann, den Verurteilten zu ermahnen; er ließ die Manner, die daneben standen sich etwas weiter entfemen, damit jener den ganzen Eiter der schwarenden Wunde seiner Seele im Bekenntnis der Beichte zum Munde herausließe und seine Sünden verwerfe, die er in Werken Worten und Gedanken begangen. Der Verurteilte versprach sich zu bessem, sein Leben zu anderm, die Welt zu verlassen, seine Sünden zu beweinen und vor künftiger Schuld sich in Acht zu nehemen. Der Bischof segnete das Haupt des Mannes mit dem Zeichen des Heiles und zeichnete ihm mit der Hand das heilbringende Zeichen des Kreuzes auf den Hals, an dem schon die Schlinge des Henkers hing. Mit Tränen im Angesicht schied er, schwang sich auf das Pferd mit dem er gekommen war, und setzte in aller Eile die begonnene Reise fort. An jenem Tag gelangte er noch nicht ans Ziel; er ritt die ganze Nacht hindurch und dann auch den folgenden Tag um die Reise zu vollenden, und er erreichte gegen Sonnenuntergang die Pfalz. Sogleich sprang er von seinem Ibererhengst, ersuchte bescheiden um Zutritt beim Herrscher und richtete an diesen demutig die Bitte er moge huldvoll geruhen ihm den Leib des Gehenkten zu schenken, in welchem Zustand er sich auch befinden möge; dabei berichtete er, wie er ihn schon von der schlimmen Absicht jener Schergen habe losbitten wollen und die es ihm abgeschlagen hatten, und wie er dann betriibt von dannen geritten. Der vorerwahnte Furst wurde bei diesen Worten von Mitleid bewegt; er befahl, man moge den Menschen, den ein hochwürdiger Bischof von der peinlichen Bestrafung durch seine Schergen nicht habe befreien konnen, solange jener noch am Leben gewesen, dem Bischof wenigstens als Toten übergeben – denn was anderes hatte man von ihm denken sollen als daß er tot sei? Darauf wurde von beiden namlich von Pippin verehrungswürdigen Angedenkens und von dem Gottesmann, dem heiligen Bischof Korbinian, reitende Boten abgesandt die, nachdem sie ihren Brief empfangen, unterwegs nach Bedarf an bestimmten Orten die Pferde wechselten wie es die Notwendigkeit erheischte. Am dritten Tage aber da es Abend wurde, geschah das Unerhorte und – lage der Beweis nicht da offen zu Tage – schier Unglaubliche: man fand den Gehenkten geradeso lebendig, wie er gewesen, da ihn der verehrungswiirdige Mann mit dem Zeichen des Heils gesegnet hatte.

Und so geschah es, daß jener Adalpert nachdem man ihn vom Galgen abgenommen nicht nur lebend, sondem unverletzt vorgefunden, und von denen die zu ihm gesandt worden waren, zur Pfalz geleitet wurde. Um ihn zu Gesicht zu bekommen, liefen die Menschen in Scharen zusammen, als gebe es ein riesiges Spektakel, und sie konnten sehen, daß er nicht nur am Leben geblieben sondem sogar noch bei Kraften war. Alle Welt redete mit ehrfürchtiger Scheu von dem Wunder und von allen wurde die Begebenheit als etwas wie ein Zeichen betrachtet; und wie bei einem festlichen Leichenzug taten sie die Kraft Gottes kund und des Gottesmannes Verdienste. Jener Mann aber, der dem Sperling gleich der tödlichen Schlinge entkommen war, änderte sein Leben und führte von nun an ein gottgefälliges Leben unter der Leitung des Gottesmannes noch lange Jahre bis ans Ende seiner Tage. Sein Grab ist bis auf den heutigen Tag bei uns noch vorhanden in der Ortschaft, die Pupinhusir heißt, und es sind noch Leute am Leben, die ihn mit Namen gekannt und gewußt haben, daß er zur Umgebung des Gottesmannes gehörte.

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